Ratgeber: Wollwalk Tips & Tricks
Wissenswertes über Walkstoff
Seit über 10 Jahren verarbeite ich Wollwalkstoffe zu edlen Walkmänteln und Walkjacken für Damen, robusten Herrenjacken, feinen Pullovern, samtigen Kinderjacken und fließenden Kleidern. Auf der Suche nach Lieferanten für meine Meterware habe ich Messen besucht, Produktionen besucht, Unmengen an Mustern gesichtet und diese einigen Härtetests unterzogen. Dabei habe ich viel gelernt. Meine Erfahrungen bezüglich Wollwalk möchte ich mit diesem umfassenden Ratgeber teilen, und hoffe mit meiner Wollwalk Mode zu inspirieren.
Geschichte des Walkstoffes
In vielen Regionen der Erde hat Walkstoff eine Jahrhunderte alte Tradition.
Funde aus der Türkei belegen, dass verfilzte Wolle schon etwa 6500 Jahre vor Christi von den Menschen genutzt wurde. Im sibirischen Altaigebirge hat das ewige Eis zu sehr gut erhaltenen Funden aus Gräbern beigetragen, welche aus dem 7. Jahrhundert vor Christi stammen. Damals wie heute war die Wolle des Schafes der primäre Rohstoff.
In der Alpenregion wird Walk seit etwa 2000 Jahren zu Kleidung und Tracht verarbeitet. Etwa um 1350 lag den traditionellen Stoffen erstmals eine gestrickte Grundstruktur zu Grunde.
Heute wird Walkstoff, aufgrund seiner vielfältigen Einsatzgebiete und Verwendungsmöglichkeiten, in unterschiedlichen Qualitäten, Grammaturen und Farben hergestellt.
Welche Stoffstärke für welches Kleidungsstück?
Wollwalk gibt es in unterschiedlichen Stärken bzw. Grammaturen. Die sog. Grammatur gibt das Gewicht in Gramm pro Quadratmeter (manchmal auch pro Laufmeter) Stoff an. Zum Nähen von Kleidung eignen sich Grammaturen zwischen 200 (dünn) und 600 (dick).
Feine Walkstoffe mit einem Gewicht bis zu 300g/m2 sind, nicht zwangsläufig, aber häufig auch aus feiner Wolle z.B aus Merinowolle. Sie sind relativ elastisch, weich, und fließend. Dünne Walkstoffe lassen sich sehr gut zu leichten Pullovern, Damen “Strickjacken”, Kleidern, zu Schals, Stulpen oder auch zu wärmender Unterwäsche verarbeiten. Obwohl dies relativ unüblich ist vernähe ich dünne Merinowalkstoffe gerne zu Overalls für Babys. In meiner Kollektion fertige ich aktuell den Rollkragen-Pullover "Elin", den Pullover "Jette" sowie die Walkjacke "Mae" aus feinem Merinowalk mit einer Grammatur von 260g / m2. Diese hochwertige Ware biete ich auch als Meterware zum Kauf an.
Am gängigsten sind Walkstoffe um die 400g/m2. Sie haben eine mittlere Stärke, sind griffig, nur wenig elastisch und haben etwas Stand. Sie eignen sich für Pullover, Cardigans, Röcke, Walkjacken für Damen, Übergangsmäntel, Overalls für Babys, Wollwalkanzüge für Kinder, Walkjacken für Kinder und Kinderhosen. Für meinen Schalkragenmantel "Karla" vernähe ich Wollwalk mit einer Grammatur von 430g/m2 in reiner Schurwollqualität. Da dies mit Abstand der beliebteste Walkstoff in meinem Sortiment ist, biete ich die Meterware in vielen unterschiedlichen Farben an. Wollwalk einer mittleren Grammatur kann mit jeder Haushaltsnähmaschine vernäht werden und ist sehr gut für Nähanfänger geeignet.
Ein Walkstoff mit einem Gewicht zwischen 400 und 600g/m2 ist lediglich als Outdoor-Stoff zu betrachten. Er ist soweit verdichtet, dass er relativ schwer, fest und in entsprechender Schurwollqualität erstaunlich wasserabweisend ist. Hieraus können schwere Walkjacken, Wintermäntel und Capes gefertigt werden, die für draußen gedacht sind. Für Babykleidung kann ich diese Ware nicht empfehlen. Ich vernähe einen reinen Schurwollwalkstoff mit einem Gewicht von 550g/m2 um den schweren Wintermantel "Greta" zu fertigen. Die Meterware dafür biete ich hier an. Die ein oder andere Haushaltsnähmaschine könnte hier an ihre Grenzen stoßen.
Welche Eigenschaften hat Wollwalk?
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- Isolierend durch Lufteinschlüsse, die bei der Verdichtung entstehen
- Wasserabweisend und schmutzresistent durch das Wollwachs Lanolin
- Selbstreinigend und geruchsneutral durch Keratin, welches Bakterien abbaut
- Umweltschonend (nachwachsender heimischer Rohstoff)
- Atmungsaktiv und elastisch, dadurch hoher Tragekomfort
- Absorbierend, da Fasern im Inneren Wasser aufnehmen ohne äußerlich nass zu sein
- Knitterarm und nahezu faltenfrei
- Pflegeleicht (auslüften, ausschütteln, abbürsten - kaum waschen)
- Biologisch abbaubar
Qualität: Was unterscheidet günstigen von teurem Wollwalk?
Die Preise von Wollwalk bewegen sich in einer breiten Spanne zwischen 20€ und 90€ pro Meter. Am unteren Ende des Preisspektrums wird in der Regel viel Kunststoff beigemengt. Wollwalk aus reiner Schurwolle (100%) in akzeptabler Qualität beginnt bei etwa 35€ pro Meter. Für langlebige Qualitäten aus nachhaltiger europäischer Produktion (so wie ich sie verarbeite und anbiete) muss man mit 45€ aufwärts pro Meter rechnen. In den letzten Jahren sind inbesonders Preise für Merinowalk deutlich gestiegen. Ohne Zweifel sind Schurwollstoffe ohne Beimengungen von anderen Fasern (z.B. Polyester) zu Recht teurer. Die einzelnen Fasern sind ganz einfach länger und weicher, so dass hier vor allem die höchste Strapazierfähigkeit und eine geringe Knötchenbildung vorausgesetzt werden kann. Schurwolle, noch besser reine- oder 100% Schurwolle steht also für Qualität. Die Schurwolle des Merinoschafes bildet darüber hinaus eine Premiumvariante unter den ohnehin sehr hochwertigen Schurwollen.
Walkstoff - mit oder ohne Synthetik?
Vor allem bei Asiaware ist Skepsis geboten. Mein Eindruck ist, dass nicht immer das drin ist was draufsteht. Für die Weiterverarbeitung zu Bekleidung ist für mich der Verzicht auf Beimengungen anderer Fasern (insbesondere Synthetik), die Strapazierfähigkeit, und die Haptik entscheidend. Die Reinheit lässt sich mit der sog. ”Brennprobe” zumindest grob feststellen. Man entzünde ein kleines Stück des zu testenden Walkstoffes und beobachte die Verbrennung. Bei einem reinen Schurwollstoff entsteht kaum eine Flamme, denn sie brennt nicht, Schurwolle verkohlt . Es riecht nach verbranntem Haar und zurück bleibt ein leicht zerreibbarer, bröseliger Ascherückstand. Vor allem synthetische Beimengungen machen zunächst eine hellere Flamme (evtl. Bläulich oder grün) zur Folge. Vor allem aber verschmort Synthetik zu eher festen Schmelzperlen.
Was macht einen qualitativ hochwertigen Walkstoff aus?
Ein Stoff, der zu einem Mantel vernäht wird, sollte dicht, wenig elastisch und auch nach einigem Gebrauch keine Knötchenbildung (Pilling) aufweisen. Ein Stoff, den ich zu einem fließenden Pullover verarbeiten möchte, muß dünner, weich, anschmiegsam und elastisch sein, ohne zu fusseln. Ein besseres Gefühl für die Stoffqualität bekommt man, wenn man den Stoff, wie beim Herausreiben eines hartnäckigen Fleckes, aneinander reibt. Entstehen bei diesem Stresstest keine oder nur sehr wenige Fussel oder Knötchen, ist dies ein gutes Zeichen.
Worauf sollte ich beim Kauf von Walkstoffen achten?
Vor allem dünne, qualitativ geringwertigere Stoffe,, aber auch Wollwalkstoffe mittlerer Grammatur neigen dazu sich beim Waschen zu verziehen. Dies ist beim Kauf kaum zu erahnen. Daher ist es besonders wichtig die Stoffe anzufassen, die Regelmäßigkeit im Maschenbild und auch im Verlauf der Meterware genau zu betrachten. Dies macht das “blinde” Kaufen von Walkstoffen im Internet zu einem regelrechten Überraschungspaket. In jedem Fall ist es sinnvoll sich im Vorfeld Stoffmuster senden zu lassen und Stoffe zu vergleichen. Meine Erfahrung ist, dass qualitativ hochwertige Stoffe nie günstig oder “gerade” im Angebot sind. Andersherum ist zweifelhafte Ware gelegentlich ziemlich hochpreisig.
Ich selber arbeite seit etwa 10 Jahren fast ausschließlich mit Wollwalkstoffen, habe Messen besucht und mir Produktionen angesehen. Auch für mich ist es schwer die Qualität von Walk zu beurteilen. Mein ultimativer Qualitätstest geht über meine Kinder. Um neue Ware zu testen nähe ich, meist meinem 4 jährigen Sohn, einen Pullover. Dieser wird möglichst täglich im Kindergarten strapaziert, in die Ecke geschmissen und unnötigerweise ein paar mal gewaschen. Ein hochwertiger Walkstoff darf niemals die Assoziation zu einem Putzlappen wecken! Keine Fussel, keine Knötchen, kein Ausfärben, keine Löcher (auch keine Kleinen) und kein Verziehen!
Materialkunde
Wie wird Wollwalk hergestellt und welche Fasern kommen in der Produktion zum Einsatz?
Was ist Wollwalk?
Wollwalk ist ein, durch warmes Wasser und Reibung kontrolliert verfilzter Stoff, der traditionell aus reiner Schafwolle hergestellt wird.
Durch das Verstricken von Wollgarn entsteht zunächst ein durchlässiger lockerer Strickstoff. Bei einer Wassertemperatur von mindestens 35 °C wird dieser nun gewalkt, das heißt im Wasser bewegt und aneinander gerieben. Hierbei bricht die Schuppenstruktur des einzelnen Haares auf. Außerdem zieht sich das Haar zusammen, sodass der Stoff am Ende des Walkprozesses 20-60 % geschrumpft ist. Es entsteht eine dickere Struktur, in der sich durch das Verhaken und Schrumpfen der Wollfaser charakteristische Lufteinschlüsse bilden. Diese sind verantwortlich für die wärmenden und temperaturausgleichenden Eigenschaften des Walkstoffes. Aufgrund der gestrickten Grundstruktur des Wollwalks ist er elastisch und anschmiegsam.
Industrielle Herstellung
Im industriellen Prozess kommen häufig große Rundstrickmaschinen zum Einsatz, die das Wollgarn zu einem locker gestrickten Wollschlauch verarbeiten. Dieser wird nun in einer Art übergroßer Waschmaschine gewalkt. Im Anschluss wird der Schlauch aufgeschnitten, getrocknet und geglättet.
Veredelung
Veredelungsprozesse wie das Dämpfen, Pressen oder Aufrauen der Oberfläche, können den Stoff in seiner Struktur und Eigenschaft weiter beeinflussen.
Durch das Dämpfen mit Wasserdampf kann eine bestimmte Stärke (Grammatur pro Quadratmeter) erreicht werden.
Bestimmte Maschinen rauen die Oberfläche von Walkstoffen auf und machen sie angenehm weich. Das Ergebnis wird auch Samtwalk oder Softwalk genannt.
Was ist Walkloden?
Das Wort Loden stammt wahrscheinlich von dem althochdeutschen Wort “lodo” ab, was soviel wie “grober Stoff” bedeutet.
Walkloden ist in seiner Grundstruktur nicht (wie Wollwalk) gestrickt, sondern gewebt. Der weitere Walkprozess mit Wasser, Wärme und Reibung, ist dem des Wollwalks gleich. Im Ergebnis ist Loden in seiner Struktur fester und weniger elastisch. Als Loden werden meist sehr schwere, relativ glatte Wollstoffe in melierter Optik bezeichnet.
Was ist Wollfilz?
Filz wird aus Rohwolle hergestellt. Die Wolle wird lediglich gekämmt und dann gewalkt (Wasser, Wärme und Reibung). Diese Art von Filz wird auch als Walkfilz bezeichnet.
Eine andere Art des Filzes ist der sogenannte Nadelfilz. Dieser entsteht durch sehr häufiges durchstechen mit speziellen Filznadeln. Filznadeln haben Widerhaken und begünstigen das Verketten bzw. Verfilzen der Wollfasern.
Filz gibt es in unterschiedlichen Stärken und Qualitäten. Filz aus dem Bastelbedarf ist in der Regel aus chemischen Fasern (Polyamid oder Polyester) und nicht aus Schafwolle hergestellt.
Was ist Wollfleece?
Ein Wollfleece entsteht durch das Aufrauen eines gestrickten Wollstoffes. Wollfleece ist häufig sehr leicht, dehnbar, weich und anschmiegsam. Im Vergleich zu gewalkten Stoffen ist Fleece allerdings deutlich weniger widerstandsfähig und griffig.
Was ist Lana Cotta?
Lana Cotta oder Kochwolle wird, wie der Name schon sagt, gekocht. Hierdurch entsteht eine Art Filz.
Der feine Unterschied: Baumwolle & Wolle
Es ist ganz einfach: Baumwolle ist pflanzlich und wird aus den Samenfäden des Malvengewächses gewonnen.
Wolle ist Tierhaar und wird von Schafen und einigen anderen Säugetieren gewonnen.
Der Rohstoff Wolle
Laut Textilkennzeichnungsgesetz versteht man unter Wolle die weichen Haare des Fells, vor allem von Schafen. Aber auch das Fell von Ziegen (Angoraziege für Mohairwolle, Kaschmirziege für Kaschmir), Lamas, Alpakas, Kamelen, Yaks und Kaninchen (Angorakaninchen für Angorawolle) wird, gemischt mit den Haaren des Schafes, als Wolle bezeichnet.
Obwohl jedes Tierhaar wie das des Menschen aus Horn (Keratin = wasserunlösliches Faserprotein)besteht, wird für die Herstellung von Walkstoff hauptsächlich Wolle unterschiedlicher Schafrassen veredelt.
Wolle hat als textiler und ökologischer Rohstoff eine lange Tradition. Auch heute sind Wolltextilien aus unserem Kleiderschrank nicht wegzudenken. Nachdem chemische Fasern und Gemische durch einen stärkeren Umweltgedanken und das Mikroplastikproblem zunehmend in Verruf geraten, erfreut sich der nachwachsende und heimische Rohstoff Wolle wieder zunehmender Beliebtheit.
Kleine Textiletikettenkunde
Schurwolle: Wolle vom zusammenhängenden Wollvlies des lebendigen Schafes. Die Fasern sind maximal lang, dadurch weniger kratzig und somit von besonderer Qualität. Allerdings garantiert lediglich der Zusatz “rein(e)” oder “100%” auch ausschließlich Schurwolle des Schafes. Walkstoff aus reiner oder 100% Schurwolle ist somit der hochwertigste im Handel erhältliche Walk. Bei dem Zusatz von weiteren Fasern wie z.B. Baumwolle oder Seide muss dies mit der entsprechenden Prozentzahl angegeben werden.
Wolle: Hier ist Fell von eventuell unterschiedlichen Tierarten (Schaf, Kaninchen etc.) toter Tiere verarbeitet bzw. recyclete Wolle (Reißwolle) enthalten. Die Fasern sind nicht mehr so lang und damit von geringerer Qualität. Die Anfälligkeit für Knötchenbildung (Pilling) ist allgemein höher. Steht auf dem Etikett der Zusatz “rein” oder “100%”, dann ist nur Schafswolle enthalten. Auch dies ist kein Garant für eine hohe Qualität.
Lammwolle: Ein Kleidungsstück aus Lammwolle ist aus der sehr feinen und weichen Wolle eines Lamms (6.-12. Lebensmonat) hergestellt.
Merinowolle: Merinoschurwolle (meist Merinowolle genannt) stammt vom Merinoschaf. Das Fell des Feinwollschafs ist durchgehend fein gewellt und hat somit eine stark isolierende, als auch eine feuchtigkeitsregulierende Eigenschaft. Merinowolle ist so weich und anschmiegsam, dass sie auf der nackten Haut angenehm zu tragen ist.
Das “Merino” stammt ursprünglich aus Nordafrika und hat heute in Spanien eine große wirtschaftliche Bedeutung.
Umwelt, Tierschutz & Zertifizierung
Walkstoffe und Tierwohl
Wolle ist ein natürlicher und nachwachsender Rohstoff. Das Scheren der Schafe stellt, vorausgesetzt es wird behutsam gemacht, kein Problem für die Tiere dar. Dennoch steht die Gewinnung von Wolle aufgrund einiger Praktiken zu Recht in der Kritik.
Das sog. “Mulesing” oder die Mulesierung ist ein blutiges Verfahren, unter dem primär Merinoschafe zu leiden haben. Hierbei werden den Tieren ohne Einsatz von Betäubungsmitteln Teile der Haut um den Schwanz herum entfernt.
Die vor allem in Australien gängige Praxis soll einem Befall mit Fliegenmaden vorbeugen. Nachdem die australische Wollindustrie bereits 2004 durch einen Boykott unterschiedlicher internationaler Firmen unter Druck geriet, wird die Mulesierung zunehmend unter Einsatz von Schmerzmitteln vorgenommen. Offiziell verboten ist es nach wie vor nicht. Sowohl in Europa als auch in Neuseeland ist das umstrittene Verfahren verboten.
Walkstoffe und Umwelt
Reine Walkstoffe sind biologisch abbaubar. Wolle ein nachwachsender Rohstoff mit erstaunlichen Eigenschaften. Weder pflanzliche noch synthetische Fasern können hier mithalten. Wollwalkstoffe haben durch ihre Verdichtung außerdem eine viel hohe Lebensdauer. Ein weiterer Vorteil ist, dass Wolle beim Waschen keine Mikroplatik ins Wasser und damit in unsere Meere abgibt. Durch die selbstreinigenden Eigenschaften von Wolle, verlangt Kleidung aus Wollstoff im Vergleich zu anderen Stoffen viel weniger häufig nach einer wasserintensiven Wäsche, schon gar nicht nach heißem Wasser oder umweltbelastenden Waschmitteln. So weit so gut…
Kommt die Wolle allerdings aus Australien, wird in Afrika gefärbt, gesponnen und zu Stoff verarbeitet und in China vernäht, um dann in Europa als Mantel verkauft zu werden, kann von Umweltfreundlichkeit keine Rede mehr sein. Wie bei den meisten Produkten, ist der Kunde auch bei Walkstoffen gefordert.
Eine kleine Siegelübersicht soll helfen.
Gütesiegel und Zertifikate
Leider kann man sich beim Kauf von Wollkleidung nicht auf vermeintliche Gütesiegel wie “Bio”, “Natur” oder “Öko” verlassen. Diese sind in der Textilindustrie nicht geschützt! Mehr Aufschluss geben folgende Wollsiegel. Alle aufgeführten Siegel, außer das sog. Wollsiegel, haben sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten sowohl das Tierwohl, als auch Sozialverträglichkeit und höchstmögliche Umweltschonung während des gesamten Wertschöpfungsprozesses zum Ziel gesetzt.
Woolmark (deutsch: Wollsiegel)
Die Woolmark Company ist seit ihrer Gründung 1964 die globale Kompetenzstelle für die Reinheit und Qualität von Wolle und Wollprodukte wie Kleidung oder Teppiche.
Das Woolmark-Siegel garantiert, dass ein Produkt aus reiner Schurwolle hergestellt ist und auch die Reißfestigkeit und Farbechtheit des Produkts festgelegte Anforderungen erfüllt. Wiederverwertete- oder Wolle vom toten Tier ist ausgeschlossen. Bei Teppichen bestätigt das Zertifikat, dass die Nutzschicht des Teppichs aus reiner Schurwolle besteht.
Das “Woolmark” garantiert nationalen und internationalen Verbrauchern einen einheitlichen Standard und höchste Wollqualität. Über das Tierwohl und die Umweltstandards sagt dieses Siegel allerdings nichts aus!
Öko-Tex Standard 100
Der Öko-Tex Standard 100 ist ein weltweit anerkanntes Siegel für schadstofffreie Textilien, welches alle Produktionsstufen vom Rohstoff bis zum Endprodukt beleuchtet. Ein mit dem Öko-Tex Standard 100 zertifiziertes Produkt ist frei von krebserregenden oder allergenen Stoffen, Formaldehyd, Pestiziden oder extrahierbaren Schwermetallen. Allerdings kann nicht automatisch auf artgerechte Tierhaltung, ökologischen Landbau oder faire Arbeitsbedingungen geschlossen werden. Insofern ist das “Öko” in der Siegelbezeichnung zu hinterfragen.
GOTS
GOTS steht für Global Organic Textile Standard und ist einer der strengsten Standards im Textilbereich. Das Zertifikat steht für ökologisch erzeugte Naturfasern und daraus sozialverträglich hergestellte Produkte. Vom Rohstoffanbau über
Arbeitsbedingungen bis hin zum fertigen Produkt garantiert der “GOTS” Verbrauchern hohe Maßstäbe und Transparenz. Zudem werden vor dem Einsatz alle chemischen Zusätze, wie z.B. Farbstoffe, auf Toxizität sowie biologische Abbaubarkeit geprüft und dadurch verbotene sowie gesundheitsgefährdende Mittel ausgeschlossen. Mulesing ist ausdrücklich verboten.
kbT
Ein Siegel für tierleidfreie Wolle. Diese Abkürzung steht für kontrolliert biologische Tierhaltung und bedeutet, dass Textilien gemäß Richtlinien des ökologischen Landbaus produziert werden. KbT gibt einen stichhaltigen Hinweis darauf, dass die Tierhaltung artgerecht, der Tiertransport schonend ist und das Futter unter einer besonderen Kontrolle steht. Die Tiere dürfen sich natürlich fortpflanzen und Praktiken wie Mulesing sind ausdrücklich untersagt. Darüber hinaus muss auch das Weideland, auf dem die Tiere gehalten werden Pestizid- und Insektizid frei sein.
Die KbT Zertifizierung stellt eine Grundlage der GOTS-Zertifizierung dar.
RWS
Die Zertifizierung „Responsible Wool Standard“ stellt insbesondere die Einhaltung des Tierschutzes sicher. Mulesing ist auch unter diesem Standard ausdrücklich verboten. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der nachhaltigen Bewirtschaftung und dem Schutz der Böden.
IVN Best
Der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft e.V. wurde 1999 gegründet und bildet seither die gesamte Wertschöpfungskette in ökologischer und sozialverträglicher Hinsicht ab. Dieses Siegel folgt in etwa den Standards von kbt.
Wollwalk Pflege
Kurzanleitung: Wollwalk pflegen und waschen
- Weniger ist mehr! Wollfasern sind tatsächlich selbstreinigend.
- Wollwaschgang unter 30 °C (kalt) oder lauwarme Handwäsche
- Wollwaschmittel benutzen!
- Feine Stoffe liegend trocknen, andere aufhängen
- Trockner meiden, ggf. Wollprogramm nutzen
- Dampfbügeln (nur bei 100% Schurwolle empfohlen)
Wie wasche und pflege ich Wollwalk?
Folgende Empfehlungen beziehen sich nur auf reine bzw. 100-prozentige Schurwollwalkstoffe! Bei Walkstoffen mit synthetischen Beimengungen, kann insbesondere das Bügeln zum Problem werden, da Synthetikfasern sehr schnell verschmoren.
Walkstoffe haben hervorragende selbstreinigende Eigenschaften und wurden ursprünglich überhaupt nicht gewaschen. Dieser Ansatz ist zwar löblich und ressourcenschonend, aber gefühlt nicht realistisch. Hersteller geben häufig an, dass Walk mühelos bei 30 ° C gewaschen werden könne. Schließlich findet der Walkprozess bei mindestens 35 ° C statt. Meine Erfahrung ist allerdings, dass die Stoffe bei 30 ° C minimal schrumpfen. Ich vermute das liegt an den kräftigen Glättungsmaschinen im Produktionsprozess, die einen Teil der Verdichtung wieder rückgängig machen. Meine Empfehlung ist eine kalte Maschinenwäsche, d.h. unter 30 °C (Wollwaschgang) oder eine lauwarme Handwäsche. Bitte ausschließlich Wollwaschmittel benutzen! Andere Waschmittel hätten ein unkontrolliertes Verfilzen und das Auswaschen des natürlichen Wollfettes (Lanolin) zur Folge. Maximal mit 600 Umdrehungen schleudern. Lediglich sehr feine Merinowalkstoffe sollten liegend (z.B. auf einem Handtuch) getrocknet werden. Alle anderen qualitativ hochwertigen Walkstoffe sind ausreichend formstabil und können bedenkenlos auf der Wäscheleine getrocknet werden.
Walkstoffe im Trockner zu trocknen ist bei einem ausgewiesenen Wollprogramm zwar möglich, aus meiner Sicht aber sinnlos, da selbst derber Walk relativ schnelltrocknend ist und Wollprogramme (schonend und nur lauwarm) sehr lange dauern.
Direkte Sonneneinstrahlung sollte vermieden werden, um ein Ausbleichen zu vermeiden.
Bei Bedarf kann reiner Walkstoff (auch Merinowalk) ohne Bedenken, allerdings immer mit Dampf gebügelt werden. Ansonsten verbrennt die Faser schnell. Bräunliche Flecken sind die Folge. Ein feuchtes Tuch, wie es häufig empfohlen wird, halte ich für überflüssig.
Zu heiß gewaschen?
Da Walk schon kontrolliert verfilzt und geschrumpft wurde, ist der Stoff nicht besonders anfällig für “Unfälle”. Dennoch kann es natürlich passieren, dass Wollwalkkleidung versehentlich in die 40 °C - Wäsche oder in den Trockner rutscht.
Abhilfe schafft ein lauwarmes Wasserbad mit einem Schuss Haarspülung. Die Haarspülung glättet die Schuppenschicht der Fasern und lockert die Struktur ein wenig. Auch ein Wasser-Essig-Bad (Verhältnis 2:1) hilft das Kleidungsstück wieder auf seine ursprüngliche Größe zu dehnen.
Gleich für welche Variante man sich entscheidet, sollte das verfilzte Teil mindestens eine Stunde einweichen. Nachdem man es vorsichtig ausgewrungen, oder es in ein Handtuch eingerollt hat, kann es behutsam in Form gezogen und gedehnt werden.
Viel Glück!
Motten
Besser vorbeugen als bekämpfen!
Kleidermotten lieben flauschige Wollstoffe um so mehr, wenn sie über mehrere Wochen nicht bewegt werden. Dies gilt für alle Arten von Wolle, aber auch für andere Stoffe tierischen Ursprungs z.B. Seide. Somit kann auch Walkkleidung bzw. Meterware betroffen sein. Meine Erfahrung ist, dass die lästigen Tierchen im Spätsommer besonders eifrig sind.
Mottenbefall ist in jedem Fall ärgerlich, aber in den seltensten Fällen ein Grund zur Panik, noch ein Grund das Kleidungsstück zu entsorgen.
Meist findet man kleine (1-3 mm) große Fraßlöcher, die sich insbesondere bei Walkstoff sehr gut von innen (also von links) mit ein paar Stichen zusammenziehen (nicht zu fest) lassen.
Motten erkennen
Fallen einem herumschwirrende Motten auf, muss zunächst geklärt werden, ob es sich um Kleider- oder Lebensmittelmotten handelt. Kleidermotten schimmern silber-gold, sind ca. 0,5 cm lang und sehr schmal. Lebensmittelmotten sind bräunlich, etwas größer, mit anliegenden Flügeln eher dreieckig und haben gemusterte (nach hinten dunkler werdende) Flügel.
Eindeutige Zeichen für einen Besuch der Kleidermotte sind natürlich kleine Fraßlöcher, fadenartige sog. Gespinste (ähnlich Spinnenfäden) oder sichtbare Larven, die aussehen wie sehr kleine weiße Würmchen. Nicht die Motte selbst, sondern ihre Larven ernähren sich übrigens von den Wollfasern.
Motten vorbeugen und bekämpfen
Die im Folgenden aufgeführten Maßnahmen eignen sich aus meiner Sicht sowohl zum Vorbeugen als auch zum Bekämpfen bei akutem Befall!
Zumindest habe ich durch die parallele Anwendung dieser Maßnahmen nur sehr selten Last mit Motten bzw. werde sie mühelos wieder los. Grundsätzlich bedienen sich Motten nur an Kleidungsstücken, die wenig getragen werden und über einen längeren Zeitraum z.B. im Schrank liegen.
- Kleidung bügeln! Mottenlarven sterben bei ca. 60 °C
- Auch Minusgrade setzen den Tierchen zu. Kleidungsstücke können in einer Plastiktüte für 1 Woche in den Tiefkühler oder bei entsprechenden Temperaturen ins Freie.
- Gründlich staubsaugen (Fußboden, Ritzen und auch mal den Kleiderschrank)
- Wollsachen über den Sommer frisch gewaschen (Haare und Hautschüppchen locken Motten an) in einer verschlossenen Plastiktüte lagern.
- Klebefallen aufstellen: Klebefallen aus Drogerien, Bau- oder Supermärkten stoppen die Fortpflanzung indem sie mit Sexuallockstoffen (Pheromonen) die Männchen anlocken, die an der stark klebenden Oberfläche der Falle verenden. Die Fallen sind 3 Monate wirksam und müssen dann ausgetauscht werden. Kosten ca. 2-3 Euro pro Falle.
- Schränke gelegentlich mit Essigwasser auswischen. Motten mögen weder Essig, noch auf reges Treiben im Kleiderschrank.
- Auch Lavendelsäckchen, Neemöl und Zedernholz halten Motten fern.
Auch Mottenpapier ist effektiv. Leider kommen hier unterschiedliche Insektizide (meist auf -thrin endend) zum Einsatz, die teilweise allergische Reaktionen hervorrufen können bzw. sogar im Verdacht stehen krebserregend zu sein.
Gerade mit Kindern im Haushalt, würde ich von dieser Chemiekeule abraten; zumal es effiziente Alternativen gibt!
Auch durch eine kurze Behandlung in der Mikrowelle sterben Eier und Larven der Motte ab. Diese Methode habe ich noch nie ausprobiert. (Ist mit 1,50m langen Stoffrollen immer so mühsam ; ) Bitte im Vorfeld Metallteile entfernen!
Schlupfwespen
Bei einem extremen Befall ist der Einsatz von Schlupfwespen sehr effizient. Schlupfwespen kann man in Form von Karten, auf denen Tausende Larven schlummern, im Internet beziehen. Schlupfwespen sind mit dem Auge kaum erkennbar und stechen nicht. Ihre Anwendung ist einfach und ungefährlich. Man legt die Karte in den Kleiderschrank, die winzig kleinen Tierchen schlüpfen und legen wiederum Ihre Eier in die Eier der Motten. Nun kann sich keine Mottenlarve mehr entwickeln und der Fortpflanzungszyklus der Kleidermotte ist unterbrochen. Die Schlupfwespe ist also ein Parasit und ein natürlicher Feind der Motte. Und auch die Schlupfwespe wird man wieder los. Sie verschwindet sobald es keine Motteneier mehr gibt. Erstaunlicherweise hinterlässt das ganze Prozedere keine oder kaum Rückstände.
Da Schlupfwespen einen deutlich kürzeren Lebenszyklus haben als Motten, muss die “Therapie” je nach Lieferantenangabe bis zu 5 mal im Abstand von etwa 2 Wochen wiederholt werden. Die Kosten hierfür liegen zwischen 50 und 100 Euro.
Ich freue mich über Kommentare, nützliche Tipps, Anregungen, Fragen, Erfahrungsberichte, Themenwünsche, Ergänzungen, Kritik und auch Lob! : )
Herzliche Grüße,
Karoline Richter
Liebe Susan,
auch bei Dir muss ich mich für die viel zu späte Antwort entschuldigen!
Ja, ich hätte einen Produzenten von hochwertigem Softwalk mit sehr hohen Mindestabnahmemengen. Auch dieser Hersteller beliefert ausschließlich gewerbliche Abnehmer. Da ich den Lagerplatz zur Zeit nicht habe, kann ich ihn leider derzeit (noch) nicht anbieten.
Allerdings kann ich Dir einen Softwalk (Walk, der im letzten Arbeitsschritt mechanisch aufgeraut wird) für einen Outdoormantel kaum empfehlen. Er sieht zwar schön flauschig aus, bietet aber nicht die Windundurchlässigkeit und Robustheit eines schweren Walkstoffs. Zudem wird Regen an der aufgerauten Oberfläche wahrscheinlich nicht so gut abperlen wie an einem glatten Walkstoff. Zumindest würde der Softwalk, den ich kenne (schön für kuschelige Pullover oder kleine Babyoveralls) sich für diesen Zweck nicht gut eignen. Vielleicht hast Du ja aber auch etwas ganz anderes im Sinn…
Viele Grüße, Karoline
Liebe Melanie,
bitte entschuldige meine späte Antwort!
Ich hoffe Du hast Verständnis, dass ich meine Lieferanten hier nicht nennen kann. Ohnehin liefern diese nur an Gewerbetreibende und in großen Abnahmemengen.
Da ich auch auf Märkten immer häufiger nach Meterware gefragt werde, habe ich mich entschieden Stoffe, die ich auch für die Fertigung meiner Kleidung nutze hier als Meterware anzubieten. Hinreichend getestet : ) Viele Grüße, Karoline
Wie auch Melanie habe ich Interesse an Herstellern und Lieferantenadressen. Den Artikel habe ich nicht nur überflogen, er war superinformativ. Ich hatte mit einem Hersteller in Österreich incl Stoffproben bereits Kontakt. Die Wolle, die ich suche, war nicht dabei. Für einen Outdoormantel suche ich aufgerauhten Softwalkloden, leicht, wärmend und wasserabweisend, etwas dicker. Gibt es da vielleicht einen Tipp. Vielen Dank für die gute Aufarbeitung zum Thema. VG susan
Hi! Toll, dass ich diesen Beitrag gefunden habe.
Gerne hätte ich noch einen Tip (Hersteller, Lieferant) erfahren, anstatt selbst Tests durchzuführen.
Vielen Dank für die Weitergabe deines Wissens😊